Sie tanzten und trommelten beim Jubiläumsfest im Paulushaus.
Psychiatrieerfahrene Menschen und ihre Betreuer blickten zurück auf fünf Jahre Seelsorge und Begegnung.
Kölner Stadt-Anzeiger 5.8.2004
VON ULRIKE SÜSSER
Innenstadt – Manche kommen regelmäßig ins Paulushaus, andere hin und wieder und alle haben eins gemeinsam: Sie sind chronisch psychisch krank – „psychiatrieerfahren”, wie Pfarrer Karl-Hermann Büsch sagt. Er ist Seelsorger mit psychotherapeutischer Ausbildung und der Leiter des Paulushauses, wo sich die Psychiatrieerfahrenen treffen zu Gesprächen, zum Gottesdienst und teilnehmen an verschiedenen Programmen. Rund 300 Menschen gehören zum Stamm der Besucher der Einrichtung und sie suchen dort „seelische Stärkung”, Gemeinschaft und Toleranz. „Das Paulushaus ist ein „Raum für religiösen Vollzug”, sagt der Pfarrer. Religion will er dabei verstanden wissen als „nährende Perspektive” im Sinne von Hoffnung im Alltag.
Seit fünf Jahren gibt es das Paulushaus in der Loreleystraße, das vom Erzbistum Köln getragen wird. Mit einem Rückblick feierte die Einrichtung ihr kleines Jubiläum. Es wurde getanzt und getrommelt und immer wieder sprachen die Besucher Worte des Dankes aus an die Betreuerinnen und Betreuer. Fünf ausgebildete Psychiatrieseelsorger arbeiten im Paulushaus zusätzlich zu ihrer Haupttätigkeit-im-Klinikum Merheim und bei der Bruderschaft der Alexianer. Angeboten werden kostenlose Einzel- und Gruppengespräche und Programme wie Meditatives Tanzen, Wanderungen, Einkehrtage, Mal- und Schreibwerkstätten.
„Wichtige Menschen haben mich nicht gesehen und nicht gehört. Sie haben mich übersehen – lauter kluge und fromme Leute. Als sie die leisen Töne nicht hörten, wurde ich lauter. Als sie mich immer noch nicht wahrnahmen, begann ich zu schreien. Sie hielten sich die Ohren zu. Sie knallten ihre schönen Eichentüren vor mir zu.”
Das schrieb sich eine Patientin von der Seele, und sie sagt heute: „Ich habe auf sehr intensive und schmerzhafte Weise viele Räume meiner Seele durchmessen müssen, und ich habe dabei ein wenig Weisheit gelernt.” Eindrucksvoll fasst auch eine andere Besucherin ihre Krankheit in Worte: „Du nahmst Reißaus von trüben Wirklichkeiten und fuhrst im Kahn der Träume über Ozeane, an tief wirbelnden Strudeln vorbei ins gedankenvolle Meer der seelischen Verwandlungen.” Ihr Gedicht endet positiv: „Im einfachen Umgang, im nahe liegenden Jetzt, kehrst Du mit ruhigem Atem zur lebendigen Wirklichkeit zurück.”
Wenn sich die Menschen in einer Krise befinden, werden sie klinisch behandelt; das Paulushaus aber fange die Menschen außerhalb akuter Situationen auf. Manchmal könnten die Patienten therapeutisch auch nicht weiter behandelt werden, meint Karl-Hermann Büsch, vor allem wenn ihre Krisen mit Religion zu tun haben – wenn sie dunkle Gestalten oder Lichtgestalten erleben, sich besessen oder in Schuld fühlen. „Es dampft in der Psychiatrie voller Religion”, sagt der Pfarrer, aber der Umgang mit dieser Beziehung sei „geradezu hilflos”. Er freue sich über die hohe Akzeptanz der seelsorgerischen Arbeit des Paulushauses bei den Psychiatrie-Experten, aber er wünsche sich gleichzeitig eine Enttabuisierung und stärkere Problematisierung des Zusammenhangs zwischen psychischer Erkrankung und Religion.
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